Südamerika erfordert internationale erfahrung

06/out/2017 - Economia -
Das Interview wurde von Armin Rainer geführt

06/10/2017

Management Letter
Interview mit Emanuel Baltis, Präsident der Schweizerisch-Brasilianischen Handelskammer

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Sehr geehrter Herr Baltis, die Schweizerisch-Brasilianische Handelskammer unterstützt Geschäftsanbahnungen zwischen Schweizer und brasilianischen Unternehmen und kennt die Marktgegebenheiten dort sehr gut. Ist Brasilien ein attraktiver Markt für Schweizer Unternehmen? Für welche Branchen im Speziellen?

Die Schweiz und Brasilien pfl egen seit Jahrzehnten eine solide Aussenhandelsbeziehung. Als siebtgrösste Volkswirtschaft der Welt profi tiert das Land von den bedeutenden natürlichen Ressourcen, einer immensen Agrarwirtschaft und einer aktuell günstigen Alterspyramide. Schweizer Firmen, die in den Branchen Chem/Pharma, Maschinenbau, Nahrungsmittel, High Tech, Gesundheit/Ästhetik, Biotechnologie, Umwelttechnik oder auch in der Luxusgüterbranche tätig sind, finden einen interessanten Markt in Brasilien. Die heutige Übergangsregierung ist auch sehr interessiert, die Privatisierungen von Flughäfen, Krankenhäusern etc. zu beschleunigen.

Dies bringt ein weiteres Aktionsfeld für Schweizer Firmen, die sich mit Privatisierungen in der Regel gut auskennen.
Trotz der seit 2014/15 anhaltenden Rezession gibt es heute einige positive Wirtschaftsfaktoren, die ein «bottom-out» der Krise darstellen könnten.

Wie sieht es mit anderen südamerikanischen Ländern aus? Welche Entwicklungen sind zu verfolgen?

Da Brasilien beinahe 50% des lateinamerikanischen BIPs darstellt, ist auch eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit der anderen Länder von Brasilien klar erkennbar. Brasilien will mit der neuen Regierung den Wirtschaftspakt Mercosur revitalisieren, da der Prozess von Free-Trade-Agreements mit anderen Wirtschaftsräumen wie der EU oder Efta in letzter Zeit verlangsamt wurde.

Andere Länder wie Chile, Kolumbien und auch Mexiko stellen sicher auch interessante Märkte dar, wo sich Schweizer Firmen in Nischen gut positionieren können. Solche Märkte haben aber gegenüber Brasilien ein beschränktes Potenzial, aufgrund ihrer Grösse.

Wie muss sich ein Schweizer Unternehmen auf den Markteintritt in Brasilien vorbereiten? Welche sind die grössten Herausforderungen?

Der brasilianische Markt sollte meines Erachtens für ein Schweizer Unternehmen nicht der erste Exportmarkt sein.
Es ist empfehlenswert, am besten zunächst innerhalb der EU erste internationale Erfahrungen zu sammeln. Bei einem strategisch geplanten Markteintritt in Brasilien sollte sich die Firma sehr gut über die lokalen Verhältnisse informieren. Der «Business Case» sollte mit Brasilien-Experten vorab besprochen sein. Hohe bürokratische Hürden, ein komplexes Steuersystem, veraltete Arbeitsgesetze und die Grösse des Landes spielen bei den Überlegungen eine zentrale Rolle. In Sachen Arbeitsgesetze ist die Regierung aktuell dabei, mit Teil-Reformen noch in diesem Jahr mit der Modernisierung des Arbeitsmarktes zu beginnen.

Wie viele Schweizer Unternehmen haben es erfolgreich geschafft, in Brasilien Fuss zu fassen? Wie haben sie es geschafft? Woran scheitern jene, die es nicht schaffen?

Schweizer Unternehmer, die es erfolgreich geschafft haben, in Brasilien Fuss zu fassen, haben lokale Experten frühzeitig mit einbezogen oder haben nach einer gründlichen Due Diligence eine lokale Firma akquiriert, um von einer gewissen Stammkundschaft schon im Anfangsstadium zu profi tieren und um der Start-up-Bürokratie auszuweichen.

Auch andere Formen von Joint-Ventures wie Langzeitverträge, um Kundenkanäle von lokalen Partnern zu nutzen, sind gängige Erfolgsmodelle. Alle Formen des Markteintritts haben ihre Vor- und Nachteile. Wichtig ist, dass das Unternehmen einen langen Atem für allfällige und immer wiederkehrende Wirtschaftsschwankungen und Krisen hat und deshalb einen Langzeithorizont für solche Investitionen plant. Unsere Mitarbeiter der Schweiz-Brasilianischen Handelskammer hatten dieses Jahr in Zusammenarbeit mit Bundesstellen eine Erhebung der Schweizer Firmen gemacht. Zurzeit sind 372 Schweizer Unternehmen in Brasilien, davon 360 SMEs und 12 Grossunternehmen.

Auch Schweizer Unternehmen in Brasilien sind den brasilianischen Wirtschaftszyklen ausgesetzt, und so konnten wir in den letzten Jahren beobachten, dass auch Schweizer Grossunternehmen sich dem geschwächten Wirtschaftswachstum anpassen mussten, jedoch mit einem strategischen Langzeithorizont, sich stets im brasilianischen Markt zu engagieren.

 


 

Informationen über die SWISSCAM

Die Schweiz-Brasilianische Handelskammer, gegründet am 16. April 1945, ist eine der besten Adressen für die Knüpfung und Pfl ege von Geschäftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Brasi lien. Als wichtige Plattform für international tätige Firmen koordiniert die Kammer auch Arbeitsgruppen zu wechselnden, aktuellen Themen wie brasilianische Gesetzgebung und Rechtsschutz, Nachhaltigkeit, Kommunikation, Impact Investment, Marketing, Personalwesen, Intelectual Property, Innovation etc.